(Diesen Newsletter illustriert als Internetseite lesen? Hier klicken.)
Abgestimmtes Integrationskonzept statt Panikmache
Wer Europäische Union ernst meint, muss die erwarteten ZuwanderInnen
aus Südosteuropa mit Konzepten zu Qualifizierung und Bildung in die
Stadtgesellschaft integrieren.
Ab dem 1. Januar 2014 ist in Dortmund und anderen Ruhrgebietsstädten
mit verstärktem Zuzug von MigrantInnen aus Bulgarien und Rumänien
zu rechnen. Grund dafür ist die ab diesem Zeitpunkt für die neuen
EU-Beitrittsländer geltende Grundfreiheit der
Arbeitnehmerfreizügigkeit.
Viele der Menschen aus Südosteuropa werden in der Hoffnung nach
Dortmund kommen, ihre wirtschaftliche und persönliche
Lebenssituation zu verbessern. Die Erfahrungen der Akteure vor Ort
lassen vermuten, dass eine große Gruppe von ihnen dauerhaft bleiben
will. Statt kurzfristiger Hilfen sind spätestens dann Maßnahmen zur
schnellen, umfangreichen und zugleich nachhaltigen Integration der
NeuzuwanderInnen gefragt. Deshalb hat die GRÜNE Ratsfraktion einen
Grundsatzantrag eingebracht,
in dem diese Zielsetzung klar definiert wird. Denn nur durch eine
gemeinsame Anstrengung kann es gelingen, die ZuwanderInnen der
EU-Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien in Dortmund willkommen zu
heißen und sozialverträglich in das Stadtleben zu integrieren.
(Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 22)
Das hässliche Gesicht der Armutswanderung
Dortmund ist seit dem EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien im Jahr
2007 ein Ziel für Zuwanderungen aus Südosteuropa. Die aktuelle
Situation beschreibt die GRÜNE Ratsfraktion in ihrem Antrag zum
Thema Zuwanderung aus Südosteuropa:
Lebten im Jahr 2006 insgesamt 573 Menschen aus Bulgarien und Rumänien
in Dortmund, so waren es Ende 2012 bereits 3.110. Viele von ihnen
ziehen vor allem wegen des günstigen Wohnraums und der vorhandenen
Netzwerke in die Nordstadt. Dort zeigen die Probleme infolge von
Armutswanderungen ein viel beschriebenes Gesicht: Das Bild von
Problemhäusern mit vermüllten Hinterhöfen und Urinlachen im
Treppenhaus, Brutalität auf dem Arbeiterstrich, Prostitution unter
lebensgefährlichen Bedingungen und verwahrlosten Roma-Kindern hat
sich eingebrannt.
Angst war noch nie ein guter Problemlöser
Diese Bilder haben bundesweit Vorbehalte gegenüber ZuwanderInnen aus
Südosteuropa ausgelöst. Geschürt wird diese Verunsicherung durch
die jüngsten Äußerungen des Bundesinnenministers Hans-Peter
Friedrich: Man wolle mit Ausweisungen und Einreiseverboten gegen
Armutsflüchtlinge aus Bulgarien und Rumänien vorgehen, die deutsche
Sozialleistungen missbrauchten und illegaler Beschäftigung
nachgingen, kündigte er im Rahmen eines Treffens der
EU-Innenminister am 7. Juni in Luxemburg an. Diese Panikmache
entlarvt Claudia Roth, Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
in einer Stellungnahme
als Wahlkampfpolemik und als „Politik wider den Geist der
Europäischen Union“. Denn Ausgrenzung und das Schüren von Ängsten
gegenüber Fremden waren noch nie gute Ratgeber für die Lösung von
Problemen oder schwierigen Herausforderungen.
Die bittere Armut in Südosteuropa
Vielmehr hilft ein Blick auf die Lebensbedingungen und Ursachen der
Zuwanderungen, um die Menschen und ihre Nöte zu verstehen und sie in
das städtische Leben zu integrieren: Denn viele ZuwanderInnen kommen
aus blanker Not nach Dortmund, um bitterer Armut und den oft
menschenunwürdigen Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern zu
entfliehen. Ein Beispiel ist der Stadtteil Stolipinowo in der
bulgarischen Stadt Plowdiv mit
vermüllten Straßen und Plätzen sowie Wohnungen ohne Strom oder
fließendes Wasser. In Dortmund angekommen, sehen sich viele
ZuwanderInnen gezwungen, sich unter ausbeuterischen Bedingungen auf
dem Arbeitsmarkt zu prostituieren und ohne Krankenversicherung in
menschenunwürdigen Wohnverhältnissen zu hausen.
Beispielhafte Dortmunder Hilfsmaßnahmen
Um diese Situation der Menschen aus Südosteuropa zu verbessern,
haben Dortmunder Politik und Verwaltung zusammen mit zahlreichen
Akteuren vor Ort kurzfristige Hilfsmaßnahmen bereitgestellt.
Beispiele sind das Dortmunder Netwerk EU-Armutswanderung, das Projekt
der Integrierten Wohnungsnotfallstrategie sowie das kommunale
Handlungskonzept „Zuwanderung aus Südosteuropa“. Die Dortmunder
Maßnahmen dienen auch anderen Städten als Beispiel. Zahlreiche
Impulse sind eingeflossen in das Positionspapier des Deutschen
Städtetages zu den Fragen der Zuwanderung aus Rumänien und
Bulgarien sowie
in das interkommunale KOMM-IN-Projekt.
Vermehrte Zuwanderungen ab 2014
Zum 1.1.2014 tritt für Bulgarien und Rumänien die vollständige
Arbeitnehmerfreizügigkeit in
Kraft. Ab diesem Stichtag wird es ZuwanderInnen aus Südosteuropa
erlaubt sein, auch nicht selbstständig zu arbeiten. Das Recht auf
Beschäftigung in EU-Ländern ist eine der vier Grundfreiheiten
(freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit
sowie freier Kapital- und Zahlungsverkehr), auf deren Grundlage der
Binnemarkt der Europäischen Union funktioniert. In der Folge werden
voraussichtlich vermehrt Menschen aus Südosteuropa nach Dortmund und
in andere Städte des Landes ziehen. Die Bundesagentur für Arbeit
(BA) rechnet aus beiden Ländern mit einer Netto-Zuwanderung von
100.000 bis 180.000 Arbeitskräften pro Jahr.
Der erwartete Fachkräftemangel in Deutschland ist nach Schätzungen
der BA jedoch nicht allein mit Zuwanderungen aus Südosteuropa zu
decken. Als problematisch wird vor allem der Anteil der gering
qualifizierten ZuwanderInnen gesehen.
Gemeinschaftsaufgabe von Kommune, Land, Bund und EU
Angesichts der veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen ab 2014 und
vermehrter Zuwanderungen unter anderem in die Dortmunder Nordstadt
fordert die Ratsfraktion der GRÜNEN ein Konzept abgestimmter
Maßnahmen zur schnellen, umfangreichen und zugleich nachhaltigen
Integration der NeuzuwanderInnen.
Grundlegend dafür ist nach Meinung der GRÜNEN Ratsfraktion ein
Konzept von städtischer Wirtschaftsförderung und Sozialverwaltung,
um ZuwanderInnen zu qualifizieren und ihnen die legale
Arbeitsaufnahme zu erleichtern. Zusätzliche Beratungsangebote sollen
Hilfesuchende über rechtliche Grundlagen informieren, sie bei
Behördenangelegenheiten unterstützen sowie Sprachleistungen
anbieten. Da es für einen Stadtteil großer Anstrengungen bedarf,
vermehrt ZuwanderInnen zu integrieren, ist der jeweilige Stadtteil
auf besondere kommunale und übergeordnete Unterstützung angewiesen.
Denn die Integration der Zuwanderer aus Südosteuropa ist eine
Gemeinschaftsaufgabe von EU, Bund, Rat und Kommune, die nur mit
Beteiligung aller erfolgreich sein kann.
Für ein solidarisches Miteinander in Dortmund haben sich die
Ratsfraktionen von SPD und GRÜNEN darauf geeinigt, den jeweiligen
Anträgen zum Thema Zuwanderung aus Südosteuropa in der Sitzung des
Rates am 18. Juli gegenseitig zuzustimmen. Dies ist ein positives
Zeichen, um ein integrationsfreundliches Klima in der Stadt zu
schaffen.
Diesen Newsletter sollten auch andere lesen? Dann bitte weiterleiten!
Diesen Newsletter als Internetseite? Hier klicken.
Diesen Newsletter regelmäßig selbst lesen? Hier klicken und abonnieren.