Schlafzeitverkürzung
für Dortmund
SPD
und CDU wollen Betriebszeiten am Flughafen Dortmund
verlängern
Die Fliegerbarone in SPD und CDU haben zusammengefunden: Bereitwillig nähern sie sich den Wünschen der Flughafen Dortmund GmbH an. Noch in diesem Jahr, in der Ratssitzung am 18. November 2010, werden sie in gleichlautenden Anträgen eine Verlängerung der Betriebszeiten bis 22.30 Uhr (plus eine halbe Stunde Verspätungsregelung plus eine weitere halbe Stunde für die 80 Prozent der Flugzeuge, die über Nacht in Dortmund bleiben) beschließen. Dabei übergehen sie geflissentlich den Willen der eigenen Parteimitglieder vor Ort (dort besonders Seite 1 und 5).
Wenigstens schrecken sie noch vor einem Beschluss zur Verlängerung der Start- und Landebahn zurück. Die GRÜNEN im Rat beantragen dagegen, weder Betriebszeiten noch Landebahn zu Verlängern: Keinen Meter mehr und keine Stunde länger!
Doch führen wir uns noch einmal
den Grundkonflikt vor Augen:
Der Flughafen raubt den Menschen in der
Einflugschneise den Schlaf. Vor allem aber kostet er die Dortmunderinnen und Dortmunder
enorm viel Geld. Das müsste den Verantwortlichen ebenfalls den
Schlaf rauben.
Sankt-Florians-Prinzip
Lassen wir den Lärm einmal
beiseite: Zwar liegt der Flughafen in dicht besiedeltem Gebiet
zwischen den Dortmunder Ortsteilen Aplerbeck, Schüren und Sölde,
zwischen Unna-Massen und der Gemeinde Holzwickede, die allesamt vom
Lärm der Flieger beeinträchtigt werden. Reden wir auch
nicht von den gesundheitlichen Schäden durch Fluglärm (Studie Eberhard Greiser) oder den gesetzlichen Vorgaben zum Lärmschutz, die den
Flughafen zu Lärmschutzmaßnahmen zwingen.
Reden wir nicht davon, dass es andere
Flughäfen gleicher Größe gibt wie Münster/Osnabrück
und Paderborn, die nur wenige Dörfer in der Einflugschneise
haben.
Reden wir auch nicht davon, das es
andere Flughäfen gibt, die besser erreichbar sind: (In Dortmund
gibt es eine Bushaltestelle, in Düsseldorf hält der ICE).
Reden wir nicht davon, dass den
Fluggesellschaften
die zusätzliche Stunde in der Nacht kaum nutzen kann, wie
Johannes Kleinschnittger ausführt (am Ende der Seite): Entscheidend – so wird
gern argumentiert – ist die Zahl der „Umläufe“: Wie oft am
Tag kann ein Flieger eine Strecke hin-
und zurück-fliegen. Der entscheidende
Sprung von drei auf vier Umläufe gelänge mit der
Verlängerung auf 22.30 Uhr nur bei den sehr kurzen Verbindungen nach London und
München. Doch London steht derzeit nur zweimal
täglich auf dem Flugplan – da reicht die Nachfrage nicht
einmal für drei Umläufe.
Interessant wird es wohl erst,
wenn die Landungen bis 24.00 Uhr ausgedehnt werden.
Reden
wir nicht vom Nutzen der Startbahnverlängerung: 2300 Meter
nutzen allein Air Berlin, die dann auch mit einer vollbesetzten
Boeing 737 besser vom Boden kommt und ohne Zwischenlandung die Kanaren erreicht – alle anderen
Airlines brauchen für ihre Flugzeuge im Bestand nur die jetzige
Bahn von 2000 Metern.
Interessant
wird es für die Fluggesellschaften erst bei einer
2800- oder 3000-Meter-Bahn. Der Flughafen nennt diese daher häufiger in seinen Szenarien.
Schauen wir lieber an, was in
Dortmund weh tut: das Geld
23
Millionen Euro Verlust bei 18 Millionen Umsatz
Seit
Jahren produziert der Flughafen Defizite. Die GRÜNEN haben die
Jahresergebnisse des Flughafens von 1998 bis (prognostiziert) 2013
addiert und kommen auf 318 Millionen Euro. Diese Verluste gleicht die Haupt-Eigentümerin des Flughafens, DSW21 (Dortmunder Stadtwerke AG) Jahr für Jahr mit den
Gewinnen aus anderen Sparten aus, zum Beispiel über über die Strom- und Gaspreise
in Dortmund.
Wie
will der Flughafen denn aus der Verlustzone kommen? Der Markt für
Passagiere wächst jährlich um 4,5 Prozent. Der Flughafen
Dortmund rechnet für sich mit einem Wachstum von 7,8 Prozent –
und hofft so, 2023 eine schwarze Null zu schreiben. Welches
andere Unternehmen kann sich einen solch langen Konsolidierungskurs
leisten?
Von
Billigfliegern in die Sackgasse gedrängt
Sicher
– eine Infrastruktur muss erst einmal geschaffen werden. Auch die
Autobahnen finanziert der Bund und holt sich über Kfz-Steuer,
Mineralölsteuer und Mauteinnahmen das Geld rein. Die
Speditionen, die auf der Autobahn ihre Gewinne erwirtschaften,
könnten allenfalls auf die Bahn ausweichen – und auch die baut
und unterhält ihre Schienen selbst. Im Prinzip aber können
sich Speditionen die Straßen oder Schienen nicht aussuchen –
sie sind da und jeder Kilometer kostet gleich.
Nicht
so die Fluggesellschaften. Für den Urlaubsflugverkehr spielen sie die Flughäfen im Wettbewerb gegeneinander aus.
Wesentliche Einnahmequelle (und damit Druckmittel) sind die
Abfertigungsgebühren. 2000 hatte sich der Flughafen rund 12 Euro
je Passagier von der Bezirksregierung Münster als kostendeckend genehmigen lassen. Hinzu kamen
weitere (nicht genehmigungspflichtige) Gebühren; insgesamt kostet ein Passagier den Flughafen etwa 18 Euro. 2005 führte der Flughafen sein Sonderprogramm
NERES ein und verlangte nur noch eine Gebühr von 5,00 Euro – als Pauschale für
alle Leistungen. Bis 2009 stieg die Pauschale auf optisch
bessere 7,50 Euro. Mit geschickt formulierten Rabattklauseln zahlten die
Billigflieger trotzdem nur 5,00 Euro.
De facto subventioniert auf diese Weise der
Flughafen die Fluggesellschaften. Aus diesem Grund hat eine Gruppe um den Aplerbecker Unternehmer Johannes Kleinschnittger ein EU-Beihilfeverfahren gegen den Flughafen in die Wege geleitet.
Im
Juli 2009 lief das NERES-Programm aus. Eine neue, genehmigte
Gebührenordnung gibt es noch nicht. Wie kann das sein? Der
Antrag ist zwischen Wickede und Brüssel hängengeblieben.
Kommt
der Flughafen von den Billigfliegern wieder los?
Voraussichtlich
nicht. In einer eigenen Analyse des Passagieraufkommens 2025 geht der Flughafen weiter von einer „kompetitiven“ Gebührenordnung
(Seite 96) aus und rechnet mit 80 bis 100 Prozent Billigfliegern
(Seiten 98, 100).
Kostenfreie
Überlassung von städtischen Grundstücken
Ein
weiteres EU-Verfahren läuft zur Zeit wegen des Parkplatzes am
Flughafen. Das Grundstück gehört der Stadt Dortmund, doch
der Flughafen zahlt dafür keine Pachtabgaben.
Kommt
der Flughafen wieder in die schwarzen Zahlen?
Der
Markt für Flüge wächst jedes Jahr um 4 bis 4,5 Prozent –
kaum ein anderer Wirtschaftszweig kennt solches Wachstum. Der
Flughafen rechnet jedoch mit 5 bis 7 Prozent mehr Passagieren, um langfristig eine
schwarze Null schreiben zu können. Mit der Betriebszeitenverlängerung, die CDU und SPD am 18. November beschließen wollen, erreicht der Flughafen die schwarze Null im operativen Geschäft schon im Jahr 2023.
Resumee
Städte
betreiben wirtschaftliche Betriebe allein zur „kommunalen
Daseinsvorsorge“ – ein Regionalflughafen gehört sicher nicht
dazu. Ein Flughafen, der in keiner eigenen Prognose langfristig auf
schwarze Zahlen kommt, erst recht nicht.
Was
tun? Den Flughafen schließen und die Startbahn für
Rollschuhläufer freigeben? Wohl kaum. Die finanziellen Verpflichtungen laufen noch auf Jahre. Doch mittelfristig das Geschäft auf die umsatzbringenden Geschäftsleute konzentrieren, das ist ein
Szenario, das Erfolg versprechen kann. Weniger Billigflieger, weniger Passagiere, weniger Personal zu Dumping-Löhnen, weniger Verluste.
Und dazu braucht es weder
verlängerte Betriebszeiten noch ein längere Landebahn.